Reisebücher, Reiseliteratur, Ratgeber -
Estland, Lettland, Litauen

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Claudia Mahrenbach: Baltische Länder. Michael Müller Verlag, Erlangen 2005. 4. überarbeitete Auflage. 22,90 Euro Baedeker/Allianz Reiseführer: Baltikum. 6.Auflage, Verlag Karl Baedeker, Ostfildern 2005. 25,95 Euro. Tomasz Torbus: Baltische Staaten - Estland, Lettland, Litauen, Kaliningrad. Nelles Verlag, München 2005. 10,90 Euro.

Grundsätzlich erscheint es ratsam ein Reisebuch auch speziell zu dem Land zu kaufen, was bereist werden soll. Dann sind die landessprachlichen Kenntnise der Autorinnen und Autoren gesicherter, und es werden keine Kulturen, Sehenswürdigkeiten und aktuellen Themen durcheinander geworfen. Die Verlage und auch die Reiseindustrie sieht sich aber der Nachfrage von Reisenden ausgesetzt, die dann doch - vielleicht weil alle drei Staaten so relativ klein und übersichtlich zu sein scheinen - alle drei Staaten (also das "Baltikum") in "einem Rutsch" bereisen wollen. Also wird es wohl auch immer Bücher geben, die Estland, Lettland und Litauen zusammen behandeln.

Wer ein solches Buch kauft, macht vielleicht freiwillig Abstriche: Sind alle drei Staaten gleichwertig gut dargestellt? Beinhaltet das Verlagskonzept es wirklich, die Daten und Texte bei jeder Neuauflage in guter Qualität zu überarbeiten, und mehr als Oberflächlichkeiten und Mißverständnisse zu bieten? Wir haben es einmal näher unter die Lupe genommen.

Zum Nachschlagen, hier die verschiedenen Test-Ergebnisse und Leseerfahrungen: 
Stärken und Schwächen Übernachten Umwelt&Naturschutz Religion/Kirche Karten Begrifflichkeiten/Fehlinfos
Einleitungen/Übersichten Essen&Trinken Geschichte/Politik Sprache Hauptstädte Gesamteinschätzung
Anreiseinfos praktische Tipps Wirtschaft Verständigungshilfen ländliche Regionen
Unterwegs Geographie/Natur/Klima Bevölkerungsstruktur Kultur&Kunst Fotos
Michael-Müller Baedeker Nelles
1. Stärken & Schwächen
Ein Buch für diejenigen, die vielleicht schon vor der Reise sehr viele interessante Einzelhinweise aufnehmen möchten. Inhaltlich stark - eines der besten auf dem Markt befindlichen Bücher - auch für sehr verschiedene Zielgruppen.

In der Fülle der Infos liegen leider auch einige sachliche Fehler und Mißverständnisse versteckt.

Optisch bietet das Buch nicht so viel wie andere: die schw-weißen Fotos sind wenig attraktiv, die farbigen sind bunt über alle drei Länder gemischt, spiegeln nur die üblichen touristischen Werbefotos wieder.

Ein optisch herausragendes und attraktives Buch für alle "Baltikum"-Liebhaber.

Herausragend gute Fotos, sehr zahlreich und prachtvoll gedruckt, attraktiv gestaltetes Buch. Größte sachliche Sorgfalt – kaum inhaltliche Fehler (wenn auch nicht so detailreich wie andere Bücher).

Für den gewöhnlichen Leser bietet dieses Buch einen hervorragenden Gesamteindruck mit in der Mehrzahl sehr gut recherchierten Infos zu allen Landesteilen.

Der Nachteil liegt bei allen Themen, die nicht nur den gut situierten "Bildungsbürger" interessieren könnten: hier spart der Baedeker manches aus.

Eine kleines und handliches Buch von einer Gruppe Autoren mit vor allem eigenen kulturwissenschaftlichen und historischen Kenntnissen. Einige ist aus slawisch-polnischer Perspektive geschrieben, was vor allem bei Litauen auffällt. Sachliche Fehler verursacht das aber nicht, eher scheint die unterschiedliche Zusammensetzung der Co-Autorinnen zwischen der ersten und zweiten Auflage für etwas Verwirtrung gesorgt zu haben.

Vertiefende Erläuterungen zu Einzelthemen sind aufgrund der sehr knapp formulierten Texte hier nicht zu erwarten - daher vor allem ein sehr preiswertes Buch für alle, die keine falschen Erwartungen haben.

2. Einleitung, Übersicht
Das Buch fasst Empfehlungen für verschiedene touristische Zielgruppen verständlich und übersichtlich zusammen.
Eigentlich hat wirkt der Baedeker kompetent und übersichtlich - aber das Kapitel „Hintergrund“ ist eher eines der schwächeren des Buches. Im Kapitel „Bevölkerung, Politik, Wirtschaft“ stammt vieles offensichtlich aus den 90er Jahren und ist daher ziemlich veraltet.
Bei Nelles ist alles sehr "über-sichtlich" und knapp gehalten: alle inhaltlichen Beiträge wirken eigentlich eher wie knappe Über-sichten. Dazu kommen nur die Ortsbeschreibungen. Dazu gibt es nur zwei Seiten zum „ethno-historischen Puzzle“, 9 Seiten Überblick Litauen, und nur je 7 Seiten Überblick Lettland und Estland. Im Abschnitt „Informa-tionen“ wird nur auf ein paar Internetseiten (sehr unterschied-licher Qualität!) verwiesen und auf die Touristikzentrale.
3. Anreiseinfos

Infos zu Anreisealternativen sind sehr ausführlich, detailliert und zumeist aktuell. Viele Tipps, die kaum woanders zu finden sind.

Sehr schön auch die gesonderten Hinweise Anreise im eigenen Boot, Inlandsflügen, und für Kanuwanderer).

Auch im Baedeker finden sich die wichtigsten Anreiseinfos., wenn auch nicht sehr ausführlich. Dem Leser werden wohl eher die üblichen Anreisewege zugemutet, nicht die Extratouren. Oft nur Adressen der Anbieter statt Erfahrungsberichte und Details.

Reiseinfos nur auf knappen 12 Seiten am Schluß des Buches. In Formulierung und Ausführlichkeit entspricht es in etwa dem, was jederzeit auf den Internetseiten des Baltischen Tourismuszentrale in Berlin abgerufen werden kann. Eigene Erfahrungen der Autoren werden kaum geschildert.

4. Unterwegs

Sehr gute Hinweise für Auto-fahrer, gute Infos für Busreisende und ausreichende für Bahn-reisende. Die Tipps für Fahrrad-reisende sind überwiegend richtig, aber vereinzelt auch veraltet. Leider werden die vielen erhältlichen Karten und Bücher für Radler in Estland nicht erwähnt. Gegenüber der Ausgabe von 2003 verbesserter Abschnitt.

Zwar korrekte Infos, aber oft nur kurze Einschätzungen, Adressliste von Anbietern und Firmen. Schilderungen konkreter Erfahrungen nur im Abschnitt „Unterwegs im Baltikum“. Eigener Abschitt „Tourentipps“ (übersichtsartige Routenempfehlungen). Insgesamt sind die Baedeker-Tipps wohl nur für Reisende mit dem eigenen Auto richtig zu verwerten, das zeigen auch viele regionale Tipps, wo unter „Ausflug in die Umgebung“ auch noch Ziele angegeben sind, die bis zu 75km vom Ausgangsort entfernt liegen.

Tipps zum ÖPNV gibt es in diesem Buch kaum (einige im Kapitel Vilnius zum Beispiel), Fahrradtipps gibt es in diesem Buch keine – ausser gelegentlich erwähnte Adressen von Fahrradverleihsta-tionen (und ein paar kurze Sätze unter „Sport“). Die „Ausgliede-rung“ der praktischen Tipps an den Schluß des Buches und in wenige gesonderte Kapitel wirkt unzweckmäßig – bei entsprechen-den Kenntnissen hätte sich viele praktische Hinweise auch zu klei-neren Orten schon im Text unter-bringen lassen.

An Sehenswürdigkeiten wird Vieles beschrieben - wie man auch ohne Auto hinkommen kann, wird dem Besucher oft selbst überlassen, so zum Beispiel auf Seite 203/204 die Ausflugsmöglichkeiten von Tartu zum Peipus-See. Allein die Vielzahl der im Buch kurz erwähnten Orte und Gebäude gibt Hinweise auf eine Tour, deren praktischen Ablauf man sich dann wohl selbst zusam-mensuchen muss.

Zum Thema Stadtverkehr meinen die Autoren sogar: „die meisten Sehenswürdigkeiten in den balti-schen Städten sind mühelos zu Fuß erschließbar. Nur selten ist man auf häufig verkehrende Trolleybusse und (etwas seltener fahrende) Busse angewiesen, beispielsweise bei Fahrten zum Flughafen...“ Da spricht der Autofahrer und Vielflieger !

5. Übernachten – allgemeine Hinweise
Gute Übersicht, gegenüber der vorigen Ausgabe im Detail verbessert. Gute Hinweise auf Wellnessurlaub, Camping, und Agrartourismus.
Der Abschnitt „Übernachten“ ist zwar kurz, bietet aber eine Auswahl der besten Internetadressen. Ansonsten ist der Baedeker darauf spezialisiert, sich bei jedem Ort auf ein, zwei Übernachtungsbeispiele zu beschränken, von „günstig“, „preiswert“ und „erschwinglich“ bis zu „komfortabel“ und „fein & teuer“.
Das Buch stellt Adresslisten von Übernachtungsgelegenheiten bereit, mit Adressen und Kurzkommentar. Nur als Überblick geeignet, nicht immer scheinen die Autoren die Hotels auch selbst von innen gesehen zu haben.
6. Essen & Trinken, allgemeine Hinweise
Hier gab es in der Ausgabe von 2003 viele Fragezeichen, da die Autorin offensichtlich einige lokale Erlebnisse als allgemeingültig für alle drei Staaten schilderte. Der Abschitt ist etwas verbessert, mit vielen zutreffenden Hinweisen, aber immer noch tellweise fragwürdig. Auch hier wird so getan, als ob „Piroggen“ nur russischen Ursprungs wären, und angeblich gibt es in „Kleinstädten“ als Salat immer noch nur ein Stück Gurke (allgemeingültig??). Gemäß dieser Autorin sind angeblich immer noch alle Kantinen staatlich, und schon am frühen Morgen wird (überall??) Alkohol getrunken. Peinlich kann der im Buch etwas zu groß herausgestellte „Tipp“ „Wodka ohne Worte“ werden, sollte Touristen sowas ausprobieren wollen.... (der noch peinlichere Tipp, in kleinen Dörfern würde der „Bierwagen“ den Bewohnern Bier in mitgebrachte Gurkengläser ausschenken, ist in der neuen Ausgabe glücklicher-weise verschwunden.)
Eigentlich sehr gute Hinweise, auch zum Umgang mit Lebensmitteln im privaten der Esten, Letten und Litauer. Dennoch zwei Anmerkungen. Auch hier werden mal wieder „Piroggen“ zu ausschließlich russischen Gerichten erklärt (und die erhältlichen lettischen, estnischen Varianten nicht erklärt), und dazu werden auch gleich noch Blinis und auch sogar Schaschlik (!) als „russisch“ bezeichnet – da müsste auch jeder Laie protestieren. Zum anderen erklärt Baedeker das Bier zum „Partygetränk Nr.1“. Da werden sicher nur die Balten über 50 Jahren zustimmen – die junge Generation sicher nicht. Zwar gibt es gute einheimische Biersorten, aber „Partygetgränke“ gibt es inzwischen auch viele andere.
Praktische Tipps hierzu beschrän-ken sich auf die Aufreihung einiger Restauranttipps (nur die Haupt-orte) mit knappen Beschreibungen in Stichworten. Ein Kapitel von vier Seiten, inkl. Fotos, führt aber anschaulich in die verschiedenen Küstentraditio-nen ein, mit vielen brauchbaren Tipps, unter Benennung vieler landestypischer Spezialitäten.
7. Praktische Tipps
Schwach nur die Hinweise auf „baltische“ Organisationen im Ausland – hier gibt es eine große (aber hier leider unerwähnte) Vielfalt. Gut dagegen fast alle anderen praktischen Tipps: Hinweise auf ärztliche Versorgung, Botschaften und Konsulate, Einkaufen und Öffnungszeiten der Geschäfte, Feiertage, Karten und Zeitungen, Haustiere, Internet. Herausragend gut die Tipps zu Fotografieren, Gastfreundschaft, Kleidung, Märchen; jeder Grenzübergang einzeln beschrieben. Zutreffende Hinweise zu Post, Preisniveau, Radio und Fernsehen, Reiten und Segeln. Sehr gute Tipps zur Sicherheit, Telefonieren, Zeckenschutz, Strände und Baden, Sprache und Verständigung.
Sehr gut: das Kapitel „Knigge“ (Verhalten gegenüber Einheimischen). Die Hinweise zu Estland und Lettland sehr gut, zu Litauen etwas einseitig, aber auch noch okay. Auch gute und sachlich korrekte Tipps zu Telefonieren und zum Einkaufen von Souvenirs.
Die listenartige Zusammenstellung von Restaurants- und Museumstipps reicht mal gerade, um sie mit den sowieso vor Ort zur Lektüre zu empfehlenden Stadtzeitschriften wie „“Tallinn in your Pocket“ oder „Riga City Guide“ zu vergleichen. Wer dies sucht, kann sich den Kauf dieses Reisebuchs also sparen. Die praktischen Tipps sind wiederum etwa dem entsprechend, was von der Baltischen Tourismuszentrale in Berlin als Handreichung ebenfalls genauso bezogen werden kann. Manchmal sogar launisch-kurz-gefasste Ausdrücke wie „Handynetz flächendecken“ (Seite 244). Da freut sich der Leser (lesen Sie doch mal den entsprechenden Abschnitt in einem anderen Buch!)! OGeradezu „historischen“ Charakter hat der Abschnitt „Medien“: hier werden Zeitungen wie „Baltic Observer“ oder sogar „Baltic Independent“ genannt, auch eine misteriöse „Baltic News“ in Vilnius – weitgehend bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre eingestellt oder in andere Publikationen übergegangen. Die einzige deutschsprachige Wochen-zeitung, die tatsächlich momentan noch herauskommt (Baltische Rundschau) hält man dagegen für keine Erwähnung wert. ?
8. Geographie, Natur, Klima
Jeweils kurze, zutreffende Einführung zu Litauen, Estland, Lettland.
Baedeker tut sich in diesem Bereich überraschend schwer: nur kurze Zusammenfassungen, teilweise sachlich unklar – fand sich für die Pflanzen- und Tierwelt kein Experte? Bei Formulierungen wie „auch Schwarzstörche wurden gesichtet“ wird klar, dass die Au-toren wohl die Bedeutung der anzutreffenden Tierwelt nicht ein-schätzen können (es gibt ein großes Schwarzstorchvorkommen im Balti-kum – nur für ungeübte Beobchter nicht so leicht zu finden! Der Schwarzstorch ist sogar der Wappenvogel des Nationalparks Kemeri in Lettland).

Gut sind die Hinweise zur Vogelbeobachtung, aber da wird lediglich auf Internetseiten und andere Infoquellen verwiesen.

Auch Nelles gibt nur überblickartige Kurzdarstellungen, die aus wenigen Sätzen bestehen. Der Abschnitt „Natur“ besteht fast nur aus einem Zitat von Czeslaw Milosz, der Rest firmiert als „nostalgische Landschaften“. Selbst zu Nationalparken werden meist nur wenige Sätze geschrie-ben, die auch nur einfache Stich-worte zu möglicherweise interessanten Dinge für Natur-freunde bringen. Als „selten gewordene Vögel“ werden im Text einzig Störche als im Balti-kum vorhanden angepriesen.
9. Umwelt- und Naturschutz
Hier ist sich die Autorin offenbar fachlich unsicher, die Hinweise stammen offensichtlich aus Quellen, die sie nicht überprüfen konnte. Die Beschreibungen tendieren zwar dazu, die Umweltsorgen ernst zu nehmen, aber die Details sind teilweise überzeichnet und unausgewogen. So trinkt die Autorin im Baltikum Leitungswasser vorsichtshalber generell nur abgekocht (warum?), und hat großen Respekt vor dem AKW-Schrottreaktor Ignalina. Neuere Entwicklungen (Bau einer Kläranlage in Kaunas, oder Ölbohrung vor der Kurischen Nehrung z.B.) bleiben unberücksichtigt. Statt dessen wird das schon 1997 beendet EU-Projekt Umweltzentrum ECAT Riga als immer noch existent erklärt (und offensichtlich mit dem „Baltic Environmental Forum BEF verwechselt), und die Entwicklung der Windenergie wird merkwürdig positiv beschrieben.

Mehrfach wird die „blaue Flagge“ als Kennzeichen für umweltfreundliche Strände korrekt erwähnt – was z.B. in Liepaja dennoch nicht davor schützt, dass Touristen wegen der vor der Küste im Meer versenkt liegenden Kampfstoffe trotzdem gewarnt werden müssten (was dieses Buch nicht tut – viele andere, inklusive der lettischen Infoquellen – aber auch nicht).

Ohne Schwächen nur das Kapitel Umwelt in Estland. Positiv ist vielleicht, dass Umweltthemen in diesem Buch überhaupt erwähnt werden, manch kleinere regionale Sehenswürdigkeit für Natur-interessierte, wie etwa den Pape-See in Lettland, oder die vielen Detailbeschreibungen für die estnischen Inseln, Platz finden. Teilweise ausführliche Darstellungen, aber fachlich unsicher, Infos teilweise veraltet.

Nur zwei Sätze zum Thema Umweltschutz weist der Baedeker auf – und die beziehen sich auch noch eher auf Zustände vor 10 Jahren.

Ansonsten heisst „Umwelt“ für den Baedeker gleich „Nationalpark“ oder „Naturpark“. Selbst mit aktuellen Umweltbrennpunkten wie dem AKW Ignalina, dem estnischen Ölschieferabbau, dem problematischen Strand von Liepaja oder der Ölförderung vor der Kurischen Nehrung geht Baedeker äusserst schonend um – oder erwähnt es gar nicht. Vielleicht passt es nicht ins Bild eines hübsch bunten Reisebilderbuchs?

Lediglich Tipps zur Naturbeobachtzung sind gut und ausführlich vorhanden.

Umwelt- und Naturschutz kommen in diesem Buch so gut wie gar nicht vor. Sogar dort, wo Nationalparke erwähnt sind, wird nicht mal der Grund für ihre Schutzwürdigkeit erläutert. Das Thema wird nur erwähnt, wo unvermeidbar – so wie bei der Beschreibung von Kohtla-Järve in Estland.Die allgemeine (leider auf diesem Gebiet weit verbreitete) Ahnungslosigkeit zu diesem Thema kommt auch auf Seite 207 zum Ausdruck, als eine wegen sauberen Gewässern verliehene „Blaue Fahne“ erwähnt wird – wenn das stimmt, war es die EU-weit bekannte Gewässeruntersuchung, die unter „Blaue Flagge“ in Deutsch bekannt ist (Infos aus anderen Sprachen rückübersetzt?).
10. Geschichte, Politik
Zu allen drei Staaten sehr ausführlich, mit einer einzigen Schwäche: Details zum Zeitraum 1926 bis 1939 fehlen im Abschnitt Litauen völlig. Dafür sehr ausführliche Darstellung der Unabhängigkeitsbewegungen und auch zur neueren politischen Phase 1990 bis 2004.

Auffallend schiefe Darstellung (Unkenntnis??) der Einbürgerungsregelungen in Lettland, laut Mahrenbach „fortgesetzte Missachtung russischer Minderheiten“ (ohne Belege). Entsprechend werden Gedenkveranstaltungen für Weltkriegsveteranen auch ganz gemäß altstalinistischer Propaganda dargestellt, offensichtlich fehlen lettische Infoquellen.

Dazu kommt eine falsche Darstellung des lettischen Staatsaufbaus - nach Ansicht der Autorin gibt es neben Parlament und Präsidentin noch einen „Latvijas kongress“ – wo hat dei Autorin das her?. Auch die Legislaturperiode des lettischen Parlements ist falsch dargestellt. Der Abschitt zu Estland dagegen ist ausführlich und gut.

Geschichte wird bei Baedeker mit sehr ausführlichen und verständlich geschilderten Beiträgen vermittelt, auch Sonderabschnitten wie „Berühmte Persönlichkeiten“ oder „das litauische Jerusalem“.

Der Bereich „Politik“, vor allem die Gegenwartspolitik, fällt demgegenüber stark ab. Im Abschnitt „wiedererlangte Unabhängigkeit“ finden sich über die Zeit nach 1993 zum Beispiel nur erwähnt: Untergang der Estonia 1994, Wahl der drei Staatspräsidenten, Beitritt zur EU und NATO. Aber vielleicht möchte sich Baedeker aus der Politik lieber raushalten?

Besonders im Abschnitt Litauen schimmert eine sehr polnisch-osteuropäisch geprägte Vorbildung der Autoren durch – nicht einmal mit der typisch litauischen Schreibweise aller Eigennamen kann man sich anfreunden. Aus litauischer Sicht sicher eine etwas unkonventionelle Geschichtsdarstellung, da an einigen Stellen litauische Heldengestalten wie Gedeminas oder Mindaugas eher knapp behandelt werden. Betont wird statt dessen, dass auch im litauischen Großherzogtum eigentlich Ruthenisch gesprochen wurde, dass für Litauen das Doppelreich mit Polen eigentlich eine Blütezeit war, und das die polnische Adelsschicht aktiv bei den Aufständen gegen die Russifizierung im 19.Jahrhundert war.

Sachliche Fehler weist diese Darstellung nicht auf, die Leser sollten sich nur der Schwerpunkt-setzung bewußt sein.In den anderen Teilen ein Versuch, den geschichtlichen Hergang kurz, aber unter Erwähnung der wichtigsten Ereignisse darzustellen. Dieser Versuch ist weitgehend gelungen, bis hin zu einigen aktuellen Entwicklungen.

11. Wirtschaft
Gute, wenn auch knappe Übersicht, nachvollziehbare Einschätzung von „Gewinnern“ und „Verlierern“ der zurückliegenden Entwicklung der Unabhängigkeit. Für einen Reiseführer sehr gut.

Einzige Schwäche: subjektiv begründete Vermutung, der angeblich „weniger lolerante“ Umgang mit russischen Minderheiten in Lettland gegenüber Esland führe auch zu wirtschaftlichen Nachteilen, und begründe den Vorsprung Estlands, so spekuliert die Autorin. Wie solche leichtfertigen Fehlein-schätzungen zustande kommen, kann vermutlich nur in vorwiegend russischsprachigen Infoquellen zu finden sein. Auch die vor Ort aktiven deutschen Außenhandels-kammern werden Ähnliches wohl kaum behaupten.

Im Abschnitt „Wirtschaft“ gibt es bei Baedeker viele Fragezeichen. Mit zitiertem Zahlenmaterial aus dem Jahr 2000 und Thesen wie „die Privatisierung der lettischen Landwirtschaft ist schon sehr weit fortgeschritten“ kommt hier die Frage auf, wann die Autoren hier zum letzten Mal genauer hingeschaut haben. Statt aktueller Infos eine platte These: in den baltischen Staaten sehen die Autoren "„die üblichen Probleme, die allen Staaten des auseinandergebrochenen Ostblocks bei der Umstellung auf die Marktwirtschaft gemein sind“. - Wer sowas als Wirtschaftsberater heute seinen Kunden anbieten würde, ohne Darstellung neuerer Trends, der würde wahrscheinlich nicht mehr ernst genommen.
Der Nelles-Reiseführer bringt hier nur einige wenige Zeilen innerhalb anderer Texte, und auch die sind teilweise nicht auf dem neuesten Stand.
12. Bevölkerungsstruktur
Aus nicht nachvollziehbaren und auch nicht konkret aufgeführten Gründen schildert Mahrenbach Lettland in dieser Hinsicht immer wieder in negativem Licht. Während z.B. in Estland positiv erwähnt wird, dass im Parlament russischsprachige Abgeordnete sitzen, die die estnische Staatsbürgerschaft besitzen, ist bei Litauen der Autorin eine gleichartige Tatsache keiner Erwähnung wert, und bei Lettland wird Ähnliches nicht nur weggelassen, sondern der Sachverhalt auch noch negativ gewertet.
Baedeker bringt zu diesem Thema nur einen knappen Artikel, der größtenteils aber zutreffend und sachlich ausfällt.

Einziger Fehlgriff: „Baltisch sprechende Völker“ – wer hat sowas je gesehen? Leider wird auch auf die Lebenssituation der Russen in Estland und Lettland so gut wie gar nicht eingegangen, das Thema ist Baedeker auch kein Sonderthema wert.

Ein sehr schön aufgebautes Sonderkapitel ist am Schluß des Buches zu finden: „vom schwierigen Umgang der Völker miteinander“. Hier wird ausführlich auf Unterschiede und Schwierigkeiten zwischen Esten, Letten, Litauern, Polen, und Russen eingegangen, auch das Thema Holocaust wird behandelt. Nur die Geschichte der Deutschbalten wird eher vernachlässigt.

Dem gegenüber stehen einige unklare Zahlenangaben im übrigen Text, die vielleicht nicht überarbeitet wurden: aus dem Jahr 1992 stammt die Angabe, dass angeblich nur 52% der Bevölkerung Letten seien (Seite 111), und auch die Bevölkerung Tallinns sind eben NICHT mehrheitlich Russen (Seite 175).

13. Religion, Kirche
Hier strickt Mahrenbach erneut lettische Legenden. Die „Dievturiba“-Bewegung war keineswegs, wie behauptet, vor Eintreffen der Kreuzritter „lettische Volksreligion“, sondern entstand erst in neuerer Zeit (seit 1925) als Rückgriff auf alte Riten. Dagegen fehlt (ebenfalls im Kapitel Lettland) eine realistische Einordnung der Rolle und Funktion der Kirchen heute völlig. Zu Litauen ist der Abschnitt fehlerfrei, aber ebenfalls nur geschichtlich angelegt. Zu Estland werden sehr unklare Zahlen knapp aufgeführt. Angeblich sind es in Estland 75% Lutheraner, aber nur 10% der Esten Kirchgänger – das ist alles.
Zwar werden bei Baedeker jede Menge Kirchen kulturhistorisch beschrieben, aber zur Rolle der Kirche in den drei Staaten fehlt jede Info. Im „Knigge“ wird etwas übertrieben (weil an dieser Stelle einziges Thema) vor den religiösen Gefühlen der Litauer gewarnt.
Religion und Kirche finden bei Nelles keine nähere Erwähnung.
14. Sprache
Hier haben Autorin und Lektorat einen der krassesten fachlichen Fehler übersehen. Obwohl an anderen Stellen (z.B. Seite 291 oder Seite 332) korrekt beschrieben, behauptet die Autorin im Kapitel „Bildunssystem und Sprache“, wie auch im Kapitel „die Nordküste“ (Seite 327), Livisch sei ein Dialekt des Lettischen. Auf Seite 358 sind es plötzlich „livländische Dörfer“ mitten in Kurland (ohne weitere Erklärung), auf Seite 372 dann wieder „livländische Kultur“, auf Seite 388 „livländische Fischerdörfer“ (nichts davon ist korrekt!). Aber Seite 391: „livländische Kreuzritter“ (das könnte man gelten lassen - wenn der Leser wüßte, was Livland mal war).

Über die Liven informiert das Buch leider überhaupt nicht, und führt die Leser nur mehrfach in die Irre. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer: auf Seite 389 steht schließlich: „das Kulturhaus wurde 1938 mit Unterstützung von Linguisten aus Ungarn, Finnland und Estland eröffnet, deren Sprachen mit dem Lettischen verwandt sind.“ Knapp vorbei ist auch daneben! Die Liven sind heute eine anerkannte Minderheit in Lettland (– aber mit eigener Sprache!), und werden froh sein, vielleicht dieses Buch nie lesen zu müssen.

Zu Estland und Litauen dagegen knappe, aber zutreffende Schilderung auch des Bildungssystems (zu Lettland dagegen ganze 6 kurze Sätze!). Auch mit der korrekten Wiedergabe lettischer Ortsnamen hat die Autorin offensichtlich Schwierigkeiten, auch wenn das ortsunkundigen Touristen kaum auffallen wird (Beispiele: Seite 353 Vesiena statt Vestiena, Seite 352 Salieta laukums statt Saieta laukums).

Schwierigkeiten hat das Buch wohl nur bei der Drucklegung gehabt, denn viele baltische Sonderzeichen sind falsch wiedergegeben. Das ruft zur Aufmerksamkeit der Leser auf: schlagen Sie lieber noch mal anderswo nach, welchen Ort Ihnen da der Baedeker empfiehlt!

Allgemeine Sprachhinweise – so wie sie in aller Kürze in jeden Reiseführer gehören, hat auch der Baedeker aufzuweisen, und die Unterschiede der in den baltischen Staaten gesprochenen Sprachen sind in verschiedenen Kapiteln korrekt beschrieben.

Besonders intensiv gehen die Autorinnen und Autoren bei Nelles nicht auf dieses Thema ein. Der Abschnitt "Sprachführer“ wird so eingeleitet: „Die wenigsten Reisenden werden sich eine der Landessprachen bedienen können.“ – Ja, warum denn nicht? Nur dass diese Autoren vielleicht keine dieser Sprachen können, und behaupten, sie seien „sehr schwer zu lernen“, muss ja kein Hinderungsgrund für ein paar Übungen sein, sei es auch nur als Entgegenkommen für nette Gastgeber. Nicht zu vergessen, wie tollpatschig viele gerade deutsche Touristen in anderen Ländern der Welt benehmen: da sind doch viele (der Baltikum-Reisenden) besser als ihr Ruf! –

Dem entsprechend ist wohl aber die kurze Wortliste, die dieses Buch zu jeder Sprache enthält, nichts weiter als ein linguistisches Feigenblatt. Ein Faux-Pas findet sich auf Seite 229: „In Lettland musste 2002 für den EU-Beitritt eine Gesetzgebung wieder aufgehoben werden, die vom Wahlkandidaten sehr gute Kenntnisse der estnischen Landessprache verlangte.“ (Estnisch als Landessprache in Lettland?? Auch die Quelle dieser Info ist anzuzweifeln, denn da scheinen Halbwahrheiten wiedergegeben zu werden).

15. Sprach- /Verständigungshilfe, Vokabelliste
Zu allen drei Sprachen vorhanden, Liste gängiger Phasen.
Kurze Wortliste zu allen drei Sprachen vorhanden.
Sehr kurz, nicht zu beurteilen - fast nicht zu gebrauchen, da auch die Autoren ja meinen, diese Sprachen seien sehr schwer zu erlernen. Da wird mancher interessierte Estland-, Lettland- oder Litauen-Besucher wohl den Spaß an den jeweiligen Sprachen ohne solche Vorurteile selbst besser entdecken!
16. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Theater
Zu Litauen findet sich bei Mahrenbach eine ausführliche Darstellung von Musik, Bildender Kunst und Theater, allerdings nur geschichtlich, ohne aktuelle Bezüge. Im Kapitel Lettland sind zur Musik ansatzweise auch aktuelle Bezüge vorhanden, zur Bildenden Kunst erschöpft sich dieser Versuch in der fragwürdigen Feststellung: „Seit der wiedererlengten Unabhängigkeit scheint die Entwicklung der lettischen Malerei und Bildhauerei dort anzuknüpfen, wo sie 1939 unterbrochen wurde.“ So bleiben die interessanten künstlerischen Entwicklungen zum Beispiel der letzten Jahre Sowjetlettlands hier unterschlagen.

Zur lettischen Literatur wird es schon im Abschnitt Geschichte fragwürdig, auch die für Deutschsprachige fast unverzichtbare Webseite www.literatur.lv wird nicht erwähnt (dort wäre exaktere Info zu finden gewesen!). Auch der Abschnitt zum lettischen Theater bleibt sehr allgemein, hier scheint die Autorin nur den lettischen Zirkus in Riga kennengelernt zu haben (der wird allerdings auf Seite 308 sehr schön beschrieben!). Das „Jaunais Theatris“ (Junges Theater) in Riga wird als „Jugendtheater“ angeführt (Seite 321). Opern in Lettland: Fehlanzeige. Schade.

Ähnlich sieht es bei Estland aus. Geboten wird eine rein geschichtliche Schilderung, nichts Aktuelles. Die Existenz eines litauischen und eines estnischen Kulturinstituts wird erst gar nicht erwähnt (lediglich Verweis auf Goethe-Institute – die aber pflegen die deutsche Kultur!). Das Kapitel spiegelt gut den Gesamteindruck des Buches wieder: auch mit diesem Thema gibt man sich mehr Mühe als andere, bleibt aber im Detail ungenau.

Kunstgeschichte, Literatur und Kunst mit ausgezeichneten und sachlich hervorragend recherchierten Kapiteln sind eine der Stärken bei Baedeker. Sogar die neuere Literatur wird mit aufgeführt, Sonderkapitel „Lettische Dainas“, „der Dom zu Riga“, und auch „baltendeutsche Literatur“.

Ein Extra-Lob für den Abschnitt „berühmte Persönlichkeiten“, der sehr gut auf einige in den baltischen Staaten allen bekannte Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft hinweist!

Zu Literatur, Kunst, Theater oder anderen künstlerischen Sparten findet sich fast nichts bei Nelles, abgesehen von sehr kurzen Einzelerwähnungen im geschichtlichen Teil und Adresslisten von Museen bei den Freizeittipps. „Kunst und Kultur“ werden nur kulturgeschichtlich kurz gestreift.

Gesonderter Abschnitte sind aber „Holzbaukunst“ und „Sangesfreude“, die dadurch besonders gut gewürdigt werden.

17. Karten
Zu Anfang jedes Länderkapitels gibt es eine kleine Karte, zur allgemeinen Orientierung ist das ausreichend. Um gesonderte Karten zur besseren Orientierung wird man nicht herumkommen. Kleinere Übersichtsgrafiken wie z.B. zu Gauja-Nationalpark oder Trakai, auch zu den jeweiligen Altstadtbezirken der Hauptstädte sind im Buch vorhanden und gut brauchbar.
Karten sind bei Baedeker nicht als räumliche Orientierung im Buch verwendet, da der Verlag ja ganz auf die beigelegte Landkarte verweist. Es gibt aber Erläuterungskarten zu Naturraum, Geschichte, und einzelnen Sehenswürdigkeiten wie Nationalparks oder Innenstädten, auch zum Inneren einiger Gebäude. Für diese Zwecke sind diese Übersichten sehr gut brauchbar.

Die dem Buch beigefügte Landkarte hat aber - auch wenn der Hinweis auf dieses wichtige Detail zunächst unterchätzt werden könnte -eben den großen Nachteil, dass die Straßenbeläge nicht ausgewiesen werden.

Die bei Nelles abgebilderte Karte der Innenstadt Vilnius taugt nur zum ersten Überblick. Andere Regionalkarten sind sehr grob gehalten, vorhandene Radwegstrecken sind nicht gekennzeichnet, eine Unterscheidung des Straßenbelags gibt es ebenfalls nicht. Daher eher als einführende Illustration denn wirklich als Karte brauchbar.

Immerhin sind einige Karten mit nummerierten Sehenswürdigkeiten versehen, so dass sich ein erster Überblick zur Lage der verschiedenen Orte verschafft werden kann.

Das Kapitel „Karten und Pläne“ erwähnt vor allem Tipps für Ostpreußen, und knapp noch die sehr guten litauischen und lettischen Verlage, Estland aber gar nicht.

18. Ortsbeschreibungen Hauptstädte
Die Infos zu den drei baltischen Hauptstädten sind ausführlich und größtenteils sachlich korrekt. Nervend lediglich, dass nicht ein einziges akutelles Foto die rasante Entwicklung gerade der größeren Städte illustriert!

Beeindruckend sind die vielen detaillierten Beschreibungen von Unterkünften verschiedener Preisklassen, inklusive vieler Telefonnummern und Internetseiten. Auch viele Restaurants und Treffs zu Freizeitmöglichkeiten und Museen sind detailliert beschrieben.

Ein Sonderlob: auf Unterschiede in der Benutzung von Bus und Bahn, ausgehend von den drei Hauptstädten, wird detailliert eingegangen!

Tallinn kommt mit 28 Seiten, Vilnius mit 33 Seiten und Riga mit 34 Seiten sehr gut weg, dazu kommen attraktiv gestaltete aufklappbare Doppelseiten zur Orgel im Rigaer Dom und zum Rathaus in Tallinn.

Für Besucher der baltischen Hauptstädte sehr übersichtliche Informationen, gut gegliedert, und durchweg fachlich auf hohem Niveau.

Ein Sonderlob für die anschauliche, gut ausgestattene und leicht und verständlich lesbare Übersicht zu den Sehenswürdigkeiten der Hauptstädte, mit vielen gesonderten Tipps am Rande.

Die wichtigsten Sehenswürdig-keiten von Tallinn, Riga und Vilnius werden bei Nelles angemessen beschrieben, die illustrierenden Fotos helfen, einen Eindruck zu gewinnen. Vilnius und Umgebung bekommen 20 Seiten, das übrige Litauen nur 34 Seiten zugesprochen. Ähnlich sieht es bei den beiden andern Ländern aus: Riga 15 Seiten, Rest Lettland 29 Seiten. Tallinn 16 Seiten, der Rest Estlands 36 Seiten.

Die knappe Beschreibung von Stadtrundgängen erwähnt zwar viele Einzelstationen, man wird aber Schwierigkeiten haben, den verwinkelt beschriebenen Verläufen der beschriebenen Altstadtrundgänge zu folgen.

Ein kleines Fragezeichen gibt es im Abschnitt über Tallinn zu vermelden. Keinesfalls sind dort, wie im Buch behauptet, über 50% Russen zu finden (2004: 145.000 von 396.000, laut estnischem Statistikamt).

19. Ortsbeschreibungen ländliche Regionen
Die Beschreibungen kleinerer Orte fallen gegenüber den Hauptorten stark ab, aber durchgehalten wird das Bemühen, auch hier wenigstens einige praktische Tipps wie Busverbindungen, Unterkünfte oder Veranstaltungstipps anzugeben. Auch in kleineren Orten werden Wanderwege und sehenswerte Ziele beschrieben.

Die „Rangfolge“ der Darstellung ergibt sich in der Reihenfolge, in der die Autorin die Regionen schildert. Manchmal widersprechen sich die allgemeinen Hinweise zum Thema mit den regionalen Tipps – ein Hinweis auf verschiedene Informationsquellen, deren Unterschiede anscheinend weder von Autorin noch vom Lektorat fachlich geklärt werden konnten. Ein Beispiel: Auf Seite 332 sind im lettischen Araisi „Reste einer Wasserburg aus dem 9.Jh“ zu finden, auf Seite 346 ist es dann plötzlich nur noch eine „Rekonstruktion“. Zu loben ist aber - trotz der für das Buch typischen leichten Unschärfen - die Fülle der Tipps.

Baedeker weist eine alphabetische Anordnung der beschriebenen Orte auf, was vielleicht sogar leichter zu übersehen ist als eine rein regionale Einordnung. Das Buch beschränkt sich allerdings auf kulturhistorische Sehenswürdigkeiten und ein wenig Regionalgeschichte. Meist ist bei kleineren Orten nur eine Unterkunft beispielhaft genannt, und Freizeittipps nur in den touristischen Hauptorten. Da dies aber meist den normalen touristischen Ansprüchen genügen sollte, und sehr übersichtlich und leicht verständlich gestaltet ist, wird der gewöhnliche Leser hier nichts vermissen.
Die Landesteile der drei Länder werden bei Nelles in überblick-artigen, zusammenfassenden Darstellungen erläutert. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten werden aufgeführt, besonders im Teil zu Litauen geht das Buch darüber jedoch kaum hinaus.

Tipps für Urlaub auf dem Lande (Unterkünfte, Beratungsstellen) fehlen so gut wie völlig. Manchmal werden in jedem Ort nicht mehr als die Kirche und ein verfallenes Gutshaus beschrieben, nicht ohne für den Zustand der Gebäude die Sowjetzeit anzuklagen. Dennoch weisen die Texte nur gelegentlich Unklarheiten auf, meist durch zu knappe Beschreibungen verursacht. Aufgeführt wird aber eine große Anzahl Sehenswertes (was dann vor Ort eine Nachfrage wert sein sollte, denn das Buch führt nur Stichworte auf).

Positiv: die Region Latgale wird nicht so nachrangig behandelt wie in manchen anderen Büchern. Und auch der Norden und Osten Estands wird zuerst beschrieben, noch vor den sonst so beliebten estnischen Inseln. - Allerdings scheint gegenüber der Ausgabe von 2002 manches Detail auch nicht aktualisiert: so wird der schwere Brand im Schloß Cesvaine zum Beispiel völlig unterschlagen, und das Gebäude wird in den prächtigsten Farben geschildert. - In Tartu ist die Restaurierung der Jaani-Kirche bereits vollendet, das wird vom Buch leider nicht erwähnt.

20. Fotos
Zwar weist das Buch viele Fotos auf, aber beim Michael-Müller-Verlag bringen sie wegen dem schlechten grau-flauen Druck wenig Freude. Selbst die bekannten, auch von den baltischen Fremdenverkehrs-zentralen häufig verwendete Fotos werden hier ins Schwarz-Weisse überführt und damit abgewertet. Es finden sich nur wenige schöne Schwarz-Weiss-Fotos.

Die Farbfotoseiten wirken beliebig im Buch verteilt und vermischen beliebig alle drei Staaten durcheinander. Gute Fotos wurden in diesem Buch wohl lediglich als „Kostenfresser“ eingeschätzt, die eingegangenen Kompromisse wirken nicht immer angebracht. Nur wen Fotos gar nicht interessieren, oder wer es als Ansporn zu eigenen Werken begreift, dem kann das egal sein ...

Wie von anderen Ausgaben des Baedeker gwohnt, weist das Buch herausragend schöne Fotos auf, und zwar nicht nur Sehenswürdigkeiten, sondern auch von Menschen, Gesichtern und Alltagssituationen.

Auch Beadeker vermeidet es, die vielen neuen Einkaufszentren und Hochhäuser abzubilden, und malt das Baltikum etwas romantischer als es (zumindest in den Städten) inzwischen ist. Sowohl Motivauswahl und Druckqualität aber unbestrittene Spitze!

Verglichen mit dem Buch aus dem Michael-Müller-Verlag werden bei Nelles recht viele Fotos geboten, durchgehend farbig, einige doppelseitig. Aufgrund des kleinen Buchformats kommen Fotos dennoch natürlich nicht so voll zur Geltung wie beim Baedeker.
21. Begrifflichkeiten, Fragezeichen, Fehlinfos
Die von Mahrenbach oft verwendete Bezeichnung „Elektrischka“ (als allgemeingültige Bezeichnung für Vorortzüge) weist darauf hin, dass die Autorin wohl eher vom Russischen herkommt (oder frühere Erfahrungen?). Im Baltikum ist es ein nur im Russischen üblicher Begriff, hier wird er einfach übernommen. (Seite 32) Auch mit einigen anderen landessprachlichen Begriffen hat die Autorin Schwierigkeiten (siehe Abschnitt "Sprache")

Der im Buch aufgeführte Fahrradführer „Velo Via Baltica“ ist leider nicht mehr erhältlich. Die an dieser Stelle als Bestelladresse aufgeführte Fremdenverkehrs-zentrale Münster ist schon seit einigen Jahren in Berlin zu finden. (Seite 35 - an anderer Stelle im Buch aber richtig angegeben)

Sachlich ist das Buch fast fehlerlos - wohl dem, der gute Lektoren oder Berater hat. Einige wenige Infos sind veraltet, aber durch die Beschränkung auf Themen, wo sich die Autoren gut auskennen, kommen auch für Baltikum-Kenner wenig Fragezeichen auf.
Einen Autoren wie Torbusz mit teilweise stark polnischer Prägung für ein Buch über Litauen zu nehmen, ist sicherlich ein Wagnis. Für Leser, die dies einzuschätzen wissen, ist das Buch dennoch empfehlenswert und hat sogar einen eigenen Reiz.

In der Ausdrucksweise wirken manche Wortprägungen etwas schräg eigenwillig („bekopftuchte alte Damen“ oder „Tuckeln und Zuckeln“ - für langsames Busreisen), aber das ist wohl Geschmacksache. Die slawische Prägung der Autoren kommt auch zum Ausdruck in Sätzen wie diesem: „die Museumsmitarbeite-rinnen bemühen sich, die aus-schließlich litauischen Beschrif-tungen wenigstens ins Russische zu übersetzen.“ (Seite 81 – das stand allerdings auch schon genau so in der Ausgabe von 2002!)

Erst im Anhang wird deutlich, dass zu den beiden Hauptautoren eine neue Autorin dazu gekommen ist, die auch einen Namen hat: Evelin Striegler gab 1998 in der Reihe Peter-Meyer-Reiseführer ein Litauen-Reisebuch heraus. Leider wurde ihr wohl nicht zugestanden, mehr als die listenartig zusammen-getragenen Tipps zu überarbeiten. Schade!

Aus „dunklen Zeiten“ (oder liegt es an der gleichzeitigen Behandlung zusammen mit Kaliningrad?) stammen offensichtlich einige wenig sensible Beschreibungen der von den Autoren offensichtlich so eingeschätzten „Lebensrealität“ des Baltikums. So wird tatsächlich behauptet, für den, der ein eigenes Geschäft eröffnet, seien „Schutzgelderpressungen leider an der Tagesordnung“ (S.244). Bitte diese Texte dringend überarbeiten – wann sind die Autoren zum letzten Mal vor Ort gewesen?

22. Gesamteinschätzung, Empfehlung
Beim Vergleich der vorliegenden Bücher können für alle drei gute Argumente für den Kauf genannt werden: Beim Nelles-Verlag wird der preisbewußte Käufer bedient, der für sein Geld noch relativ viel Information für die Reise mit bekommt. Beim Michael-Müller-Verlag ist eine Fülle von verschiedenen Tipps und Einzelinformationen enthalten, auch Themen, die in anderen Reisebüchern nicht zu finden sind - dafür sind Abstriche bei der sachlichen Genauigkeit und bei der Illustration des Buches (vor allem den Fotos) zu machen. Der Baedeker bedient schließlich traditionell des Bildungsbürgertum, was wahrscheinlich mit Auto und ausreichend Taschengeld unterwegs ist, und sich vor wie nach der Reise an diesem prachtvoll ausgestatteten und bei kulturhistorischen Themen ausführlichen Darstellungen erfreuen kann.
Da bei Reisebüchern sowieso nicht soviel erwartet werden sollte, wie bei wissenschaftlichen Fachbüchern, halten wir alle drei dargestellten Reisenbücher für empfehlenswert!

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