Reisebücher, Reiseliteratur, Ratgeber -
Estland, Lettland, Litauen

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10,6 cm breit
BUCHFORMAT
19,0 cm hoch
Thoralf Plath: Marco Polo Reiseführer "Lettland". MairDumont, Ostfildern 2006. 1. Auflage. Der Vorläufertitel war zuletzt ein Marco Polo "Baltikum"; mit verschiedenen Autor/innen: Marianna Butenschön (1993 / 1998), Birgit Johannsmeier, Jan Pallokat (2003). Diese neue Ausgabe - speziell für Lettland - hat 120 Seiten und kostet 8.95 Euro. ISBN 3-8297-0342-2. Texte dieses Buches finden sich auch als Internetversion online abrufbar (Abbildung: Layoutbeispiel)
1. Größte Stärken
Es ist klein, es ist handlich, und vielleicht bekommen es die Reisenden ja schon bei ihrer Buchung gratis dazu. Wer schon immer mal etwas über Lettland wissen wollte, aber noch keine Zeit dazu fand: hier wird die leichtest mögliche Kost geboten.
2. Größte Schwächen
Leider erreicht die Lettland-Ausgabe nicht wenigstens die Qualität der Litauen- und Estland-Ausgaben aus dem selben Verlag.
3. Einleitung, Übersicht
Typisch Marco Polo sind die zusammenfassenden Einleitungsartikel. Auch hier werden eher nur knappe Stichworte und bekannte Schablonen geboten - immerhin weisen einige davon in die richtige Richtung. Die Mischung der verschiedenen Themen wirkt in diesem Buch aber künstlich und willkürlich: wo stehen sonst Ballett, Deutschbalten, Flora & Fauna, Heimkehrer, Luther und dedr Pabst direkt nebeneinander? Informativ ist das nur zum Teil - und nur für diejenigen, die mit Vorwissen ausgestattet zwischen Unsinn und Wahrheit zu unterscheiden wissen. O ? ?
4. Anreiseinfos
Sehr knapp gehaltene Hinweise, die im wesentlichen auf Links zu entsprechenden Firmen hinweisen. Bei Bahn und Fähren findet sich zudem veraltete Info darunter. O ?
5. Unterwegs
Die wichtigsten Bestimmungen zu Autofahren, Hinweise auf Mietwagen, Taxis, öffentliche Verkehrsmittel, sind in Kurzform aufgeführt. Sehr schön auch die Hinweise zum Thema Reisen mit Kindern - irritierend nur, dass hier Preise in Euro angegeben sind (soll hier etwa das "Mit-Devisen-Zahlen" wiederbelebt werden?). O O ?
6. Übernachten – allgemeine Hinweise
Zu den beschriebenen etwas größeren Orten gibt es einige ausgewählte Tipps, vielleicht nützlich für den Notfall für diejenigen, die außer dieser Infoquelle nichts anderes zur Hand haben. Was hier aber als "Geheimtipp" announciert ist, ist vor Ort meist ausgebucht. Auch die Beschreibungen der Unterkünfte sind äusserst spärlich. O ?
7. Essen & Trinken, allgemeine Hinweise
Auch der Abschnitt "Essen und Trinken" fällt im Vergleich zum Estland-Buch desselben Verlags (siehe Rezension) stark ab. Bei der Auflistung lettischer Spezialitäten meint der Autor auch hier alles aus russischem oder deutschem Einfluß heraus definieren zu können. Dazu kommen auch noch einige Schreibfehler der lettischen Bezeichnungen. Warum dann ein Buch über Lettland schreiben? Warum sind bunte Torten "in", oder Sadlejums (Eis) typisch lettisch - aber Rote-Beete-Suppe oder Piragi ein Relikt aus der Sowjetzeit? Der Verdacht kommt auf, der Autor hat ein paar Länder in Osteuropa zuviel bereist ...
Der zugehörige Text ("Kümmel, Bier und dunkles Brot") dagegen kommt schon viel besser daher, und bietet eine grundsätzlich richtige Orientierung. O O ?
8. Praktische Tipps
Tipps für sportliche Aktivitäten werden in einem gesonderten Kapitel behandelt, das durchaus vielfältig ausfällt - Angeln, Ballonfahren, Golf, Reiten, Kanu, Radwandern, Segeln ist hier vertreten - nur "Vögel beobachten" wirkt in diesem Zusammenhang etwas deplaziert.

Tipps zu Post & Telefon, zur Gesundheit, sind als kurze Hinweise vertreten und reichen zur ersten Orientierung völlig aus. O O

9. Geographie, Natur, Klima
Einige geografische Grundlagen sind in den einführenden Text einbezogen. Aber wieder kommt ein Teil davon doch sehr schablonenhaft daheer: "Bernstein, Blaubeeren, Burgruinen" wird da getextet, und Storchennester auf Telegrafenmasten bemüht.

Zu Anfang der Beschreibungen der einzelnen Landesteile stehen kurze geografisch orientierende Bemerkungen, manchmal wird auch schlicht auf den Kartenteil verwiesen. Sachlich wohl begründetes erfahren die geneigten Leser/innen zu diesem Themenbereich nichts.

10. Umwelt- und Naturschutz
Flora und Fauna sind dem Autor ganze acht Sätze wert. Der Ort Kemeri wird wie zufällig beschrieben, Einzelheiten dazu, warum das als Nationalpark unter Schutz steht, aber nicht erwähnt (dazu noch "Bohlenwege" durchs Moor als "Insidertipp" ausgelobt - ohne genauere Beschreibung wohl ein Flopp). Wohl dem, der sich anderswo zu erkundigen weiß. Auch beim Reservat Teici stehen eher überflüssige Bemerkungen zu angeblichen Geistern im Sumpf, als Naturschutzfachliche Infos. Konsequent, das auch beim Nationalpark Gauja sich nur eine knappe Erwähnung von Aussichtspunkten, Kutschfahrten und Tourenangeboten findet. Und zum Thema Umweltschutz gibt es - wen wundert es da noch - leider nichts zu lesen. O ?
11. Geschichte, Politik
Eine knapp gehaltene Geschichtstabelle kann zur ersten Orientierung dienen. Viel mehr wird zur Geschichte aber schon nicht gesagt, im Text verkommt es zu Textschablonenen: mit Liedern auf den Lippen den Panzern entgegen (über 1991), mit einer einzelnen Kuh auf dem Acker in die EU (über den EU-Beitritt).
Mit dem Satz "Lettlands Geschichte ist eine Geschichte fremder Herren" stehen im Einleitungstext wenigstens einige Bemerkungen zur Geschichte von der Ordensmission bis zur Unabhängigkeit 1918, alles innerhalb einer halben Seite. Aktuelle politische Themen werden nicht angesprochen. O
12. Wirtschaft
Über einige pauschale Bemerkungen, wie diejenige dass "Lettland zu den Musterknaben in der EU" zähle, kommt das Buch nicht hinaus. Ein Stichwort "Wirtschaft auf Westkurs" gibt wenigstens einige grundlegende, aber sehr allgemeine Infos. O
13. Bevölkerungsstruktur
Die verschiedenen, über mehrere Abschnitte verteilten Textteile hierzu bleiben merkwürdig unentschieden. Legenden werden auch gestrickt: dass die Intergration der Russischstämmigen in Lettland nur auf Grund eines "Drucks aus Brüssel" zustandegekommen sei, zum Beispiel. Oder dass angeblich in sechs der sieben größten Städte Lettlands Letten die Minderheit seien. Selbst die Bemerkung, dass für "ehemalige KGB-Spitzel der lettische Pass tabu" sei, ist ungenau: es müssen nur alle Kandidaten für ein Wahlamt eine Erklärung unterschreiben, nie mit dem sowjetischen Geheimdienst zusammengearbeitet zu haben.
Was also machen Russen oder Letten aus? In diesem schmalen Büchlein findet sich dazu wenig.
O ?
14. Religion, Kirche
Das Stichwort Religion wird mit der Überschrift "Luther, Pabst und Zwiebelturm" kurz angesprochen. Acht Sätze, Dievturiba inklusive. Unter der Kathegorie "bloß nicht" findet sich dann noch der Hinweis, niemals die orthodoxe Einkehr zu stören. Warum das für die anderen Religionen in Lettland nicht gelten soll, wird nicht erläutert. O
15. Sprache
Auch zur lettischen Sprache finden sich nur sehr knappe Bemerkungen, in der Kürze beinahe sinnentstellend. Demnach ist das "Typische" an der lettischen Sprache nur das angehängte "s" an männlichen Vornamen, und die Betonung auf der ersten Silbe - die angeblich den singenden "Klang erzeugt". Empfehlung: auch hierzu lieber woanders nachlesen!

Auch zum Livischen findet sich ein Abschnitt, der aber Mißverständnisse wiederholt, die leider auch in früheren Ausgaben anderer Reiseführer schon nachzulesen waren. Livland - lettisch = Vidzeme? (dabei steht auf Seite 63 dazu auch der korrekte Zusammenhang zu diesem Thema!). Hier (auf Seite 17) ist es aber ebenso nicht ganz genau hergleitet wie die Pressemitteilung des Verlags vom 6.3.2006, der zufolge Lettland in der Landessprache "grüne Erde" heißen soll. Wo bitte, liebe Autoren und Lektoren, habt ihr das nur her??? O ?

16. Sprachhilfe, Vokabelliste
Als Sprachhilfe finden sich Wortlisten zu touristentypischen Themen. Für ein "Guten Morgen" auf Lettisch wird es vielleicht reichen. Die angeführten Beispielsätze sind - zumindest für Anfänger - schon recht schwierig: wer nimmt schon an, beim Arzt in Lettland "Ich habe Durchfall" auf lettisch erklären zu wollen? Anderswo wird dann so betont, wie modern doch Lettland sei (wird denn angenommen, keiner versteht Englisch oder Deutsch?). O
17. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Theater
Auch dem kulturellen Verständnis Lettlands nähert sich dieses Buch eher mit in allgemein gehaltene -Texte eingewobene Schablonen: Singen liegt den Letten im Blut, na gut. Mit Michail Baryschnikow allein wird eine lettische Ballettradition begründet (ohne weitere Beispiele zu nennen), und selbst der Festivalkalender erweist sich als stark ergänzungsbedürftig (die lettische Internetseite, die alle derartigen Termine auflistet, bleibt im Buch leider ohne Erwähnung).

Zur Jugendstilarchitektur findet sich ein halbseitiger, kurzer Abschnitt. Die ganze bildende Kunst, Musik, Theater oder Literatur Lettlands bleibt aber größtenteils ungenannt - und das angesichts der ständigen Preisung Lettlands als Kulturnation! Ein Orgelkonzert im Rigaer Dom wird schon als "Geheimtipp" gekennzeichnet - ob es da nicht viel mehr, und auch aktuelleres finden läßt? O ? ?

18. Karten
Die Übersichtskarte im Umschlag hinten ist für eine notdürftige Orientierung in Rigas Innenstadt durchaus brauchbar. Die Übersichtskarte zu anderen Landesteilen ist aber sehr klein gedruckt - hier werden die Reisenden hoffentlich "richtige" Karten vorziehen (aber auch Bezugsquellen dazu fehlen). O
19. Ortsbeschreibungen Hauptstädte
Die Informationen zu Riga bestehen im wesentlichen aus einer stark gerafften Zusammenfassung der Sehenswürdigkeiten, gefolgt von ausgewählten Tipps zu Museen, Restaurants, Übernachtungstipps (ebenfalls nur wenige), und Tipps zum Einkauf landestypischer Waren. Für einen ersten Eindruck reicht es vielleicht - zum Beispiel wenn man sich bereits im Flugzeug befindet, und nur ein Stündchen Zeit zum Lesen hat.
Sehr weit reichen diese Tipps in Kurzform allerdings nicht - in diesem Fall wirken sie sogar nicht besonders aktuell überarbeitet. Wer in Riga z.B. das Motormuzeum, die Aussichtsplattform auf der Petrikirche, oder ein Orgelkonzert im Dom als "Geheimtipp" verkauft, der hätte sein Buch auch schon 15 Jahre zuvor schreiben können. O
20. Ortsbeschreibungen ländliche Regionen
Die kurz gefassten Angaben zu den einzelnen Orten sind für eine erste Orientierung meist geeignet. Die einzelnen Landesteile werden kurz vorgestellt - wenn auch fast ohne geschichtlichen Zusammenhang. Kulturgeschichtliche Hintergründe erstarren in dieser literarischen Fastfood-Form allzu schnell zum Klischee.
Wer bisher noch nicht daran glaubte, dass in Lettland auch außerhalb Rigas etwas zu sehen wäre, der wird hier vielleicht von etwas anderem überzeugt. Einige wenige abgelegene Regionen, wie z.B.
Krāslava, kommen zu erstaunlichen Ehren, und immerhin enthält das Buch drei näher beschriebene Ausflugstouren (und bietet damit mehr als vergleichbar dünne Bücher). Aber auch für dieses Buch gilt: diejenigen, die schon in Lettland waren, werden mehr erzählen können. O O
21. Fotos
Es gibt reichlich Fotos, farbig und in guter Qualität gedruckt. Oft wirken sie jedoch nur wie eine Auflockerung des Textes, gehen nicht über gängige Motive hinaus. Einige sind ganzseitig hochgezogen, aber wohl ebenfalls eher zur Auflockerung des Buches, dass dadurch sehr leicht lesbar und "verkraftbar" auch für Büchermuffel wirkt. O
22. Begrifflichkeiten, Fragezeichen, Fehlinfos
Im Gegensatz zum Beispiel zum Estland-Buch des selben Verlags, und auch im Unterschied zum früheren Baltikum-Buch der Reihe Marco-Polo kann dem Lettland-Buch leider nicht bescheinigt werden, in aller Kürze wenigstens ein paar gute aktuelle "Geheimtipps" versammelt zu haben. Wiedergegeben werden allenfalls ein paar Klischees - auch wenn viele Deutsche Lettland noch gar nicht kennen, und dies so vielleicht erstmal nicht bemerken werden.

Die Informationen zu Kultur und Mentalität der Lett/innen sind dagegen sehr schlicht gestrickt. Blumen nicht vergessen, und "Ehrenwachen nicht veralbern" - kann das wirklich alles sein? Schwächen hat das Buch bei allen geschichtlichen Bezügen, und - obwohl es einige Freizeittipps vorstellt - bei der Erläuterung von kulturellen Zusammenhängen. Der Verdacht ist nicht zu vermeiden, das der verantwortliche Autor in Lettland vieles als schlicht "alles typisch osteuropäisch" einordnet. ?

23. Gesamteinschätzung
22 Pluspunkte, 12 Fragezeichen, insgesamt 32 Punkte
24. Zusammenfassung
Vermutllich würde die Verlagsleitung auf Kritik an diesem Buch in etwa so reagieren: "wir arbeiten bereits an einer Neuauflage." Schade nur, dass es offensichtlich keine Qualitätsstandards bei den "Marco-Polo"-Büchern gibt. Eigentlich ist die Konzeption dieser Bücher ganz geeignet für Neueinsteiger, und es ist auf jeden Fall ehrenwert, dass jedes Land mit eigenem Band gewürdigt wird. Nur: Dieser Band ist ein wenig zu schlicht gestrickt.

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